Handel ist ein Handwerk, keine Kunst!

Handel ist ein Handwerk-keine neue Kunstform

Tracht ist Mode – dieser Spruch existiert seit mindestens 40 Jahren, ich kann mich als Kind an diesen Spruch als Schaufenster-Beschriftung erinnern.

Momentan wird wieder sehr viel Mode in die Tracht hineininterpretiert, es gibt unzählige neue Anbieter die Tracht mit den Instrumenten des klassischen Modehandels bearbeiten. Teilweise tut der Trachten-Branche das gut, denn es gibt schon viele alteingesessene Geschäfte die mit traditionell eher wohlwollend beschrieben werden, altbacken wäre oft passender. So sind die neuen Geschäfte eingerichtet wie Hotel-Lounges in Top-Geschäftslagen oder ganz großzügig wie kleine Heimatmuseen gestaltet und zeigen eine ganz reduzierte Auswahl an Modellen. Alles ist immer sehr schön zusammengestellt und dekoriert, es gibt gar keine Einzelteile und auch bei der Größenauswahl sind die neuen Konzepte recht reduziert, jenseits der Größe 42 für Damen oder Gr. 54 für Herren wird´s da schnell eng. Solche Konzepte kosten einfach Geld – der Aufwand für Ladenbau, den verschwenderischen Umgang mit Verkaufsfläche und aufwendigen Zusatzleistungen wie professionelle Warenpräsentation oder z.B. eine Bar mit Brotzeit im Laden bezahlt jeder Kunde natürlich mit.

Die Werbung läuft hauptsächlich über das Internet, in Instagram und Facebook werden wunderschöne Fotos gepostet, alle Artikel wirken sehr hochwertig und sind in der Realität auch sehr hochpreisig. Die Werbung in den sozialen Medien und das Leben einer Geschichte kostet natürlich eine Stange, so sind auch die Kalkulationen der neuen Händler oft höher als die von alteingesessenen Trachtengeschäften. Wird von den meisten Kunden eh nicht verglichen, ist also auch nicht so relevant.

Es wird nicht die langjährige Erfahrung in der Tracht der Kollektionsauswahl zugrunde gelegt, sondern ganz stark die Trends aus den sozialen Medien verfolgt. Da kommen dann ein paar Irrungen der Tracht nach 20 Jahren aus der Versenkung hochgeschossen und sind plötzlich der letzte Schrei: Also wir hätten wirklich nicht gedacht, dass eine curryfarbene Zopfstrickjacke mit angekrausten Ärmeln noch mal das Licht einer Trachtenkollektion erblickt. Und schon gar nicht, dass jeder meint, wir müssten sowas unbedingt im Geschäft führen.

Wir verstehen nicht, warum das alles so aufgeladen werden muss? Es ist nichts anderes was wir seit fast 100 Jahren machen: So geht Handel! Natürlich wandelt sich die Art des Anbietens, die Werbung, die Kundenansprache, die Warenpräsentation. Aber ganz ehrlich: das Rad neu erfunden haben die neuen Kollegen nicht. Was die neue Art des Handels von den langjährigen Händlern unterscheidet ist die Distanz zum Produkt: Die neuen Konzepte könnten ebenso Mode oder Schuhe verkaufen, ein Beautysalon sein oder eine Tagesbar. Die Herangehensweise ist eine die auf den starken Einfluss der neuen Medien basiert: Werbung darf viel kosten, diese Kosten werden über eine hohe Kalkulation wieder hereingespült. Es muss eine Geschichte erzählt werden, die so gut ist, dass Kunden das Gesamtpaket kaufen – denn die Produkte alleine sind tatsächlich die gleichen, die viele Traditions-Händler auch führen.

Gerade die junge Generation geht unglaublich auf diese Art und Weise der Vermarktung ab, wir bekommen tatsächlich sehr viele Anfragen über Instagram ob wir die Dirndl einer norddeutschen Instagram Schönheit (die natürlich eine hohe Vergütung für die Kooperation mit einem Dirndlhersteller bekommt) führen, wann denn unser Flagship-Store (nix Flagship – unser Laden ist seit 1969 an derselben Stelle und wird alle paar Jahre mit örtlichen Handwerkern überlegt modernisiert) morgens öffnet und  wo unser Internet-Shop zu finden sei. Auf unsere Antwort, dass wir keinen solchen haben hören wir hören im Geschäft oft, dass in den Wochen davor schon bei 2-4 Versendern jeweils eine große Dirndl-Auswahl bestellt wurde .Oft ist doch dann aber das Ergebnis zuhause nicht so toll, so werden die Pakete wieder zurück geschickt und die jungen Damen kommen Gottseidank zu uns. Das deckt sich mit unseren Erfahrungen im Laden – wir probieren oft 4-6 Dirndl die überhaupt nicht zur Kundin passen bis das erste kommt, das wie für sie gemacht ist. Diese Auswahl kann man gar nicht bestellen, da würden die armen Paketboten zusammenbrechen.

Wir würden uns freuen, wenn sich der „Retro-Trend“ nicht nur auf die Kollektionen auswirken würde. Ganz schön fänden wir, wenn die junge Generation noch besser einordnen kann, wie trügerisch die neuen Medien sind.

Der traditionelle Handel hat wirklich seine Stärken und auch bei uns gilt: Tracht ist Mode.